Günter Grass: Katz und Maus (1000 Bücher: 1)

Günter Grass: Katz und Maus. Eine Novelle, Berlin (West) 1961.

Eigentlich hielt und halte ich nicht viel von Günter Grass. Seine oberlehrerhafte Art und sein Anspruch, für alle im Lande als moralische Instanz dazustehen, stieß mich schon immer ab, lange bevor bekannt wurde, dass Grass selbst auch bei der SS war.

Trotzdem habe ich jetzt ein Buch von ihm gelesen: Katz und Maus, zweiter Teil der Danziger Trilogie. Schon vor einigen Jahren hatte ich eine vergilbte und zerfledderte, aber vollständige rororo-Ausgabe (gedruckt 1963) auf dem Flohmarkt für ein paar Pfennige gekauft. Seitdem stand sie bei mir im Regal und erst jetzt kam ich dazu, Katz und Maus zu lesen.

Ein Grund, warum ich solange gewartet habe, war der Anfang des Buches:

… und einmal, als Mahlke schon schwimmen konnte, lagen wir neben dem Schlagballfeld im Gras. Ich hätte zum Zahnarzt gehen sollen, aber sie ließen mich nicht, weil ich als Tickspieler schwer zu ersetzen war. Mein Zahn lärmte. Eine Katze strich diagonal durch die Wiese und wurde nicht beworfen. Einige kauten oder zupften Halme.

Ein Buch, das mit “… und einmal” anfing, fand ich merkwürdig, und ich war mir vor allem nicht sicher, ob nicht eine Seite in meinem Exemplar verlorengegangen war. Jahrelang nahm ich mir vor, wenn ich mal in einer Buchhandlung wäre, nachzusehen, ob meine Ausgabe vollständig wäre oder nicht. Ich dachte sogar ein- oder zweimal in den letzten Jahren daran, als ich in einer Buchhandlung war, vergaß jedoch dann zu Hause, es mit meinem Buch zu vergleichen.

In der Tat kommt der Anfang mit “… und einmal” an verschiedenen Stellen im Buch vor. Grass geht es offenbar um die Art und Weise, wie wir uns erinnern, und wie man sich 1961 an den Zweiten Weltkrieg erinnerte.

Nun aber habe ich Katz und Maus gelesen, und ich muss sagen: Es ist ein gutes Buch. Vor allem wirkt es auch heute, 47 Jahre nach Erstveröffentlichung (1961), noch überraschend zeitgemäß, überhaupt nicht angestaubt, an vielen Stellen sogar geradezu provokant und frech. Nicht umsonst sollte das Buch damals sogar auf dem Index landen.

Das Buch spielt im Danzig des Zweiten Weltkriegs. Die Jungen verbringen ihre Zeit damit, auf die Ostsee raus zu einem halb versunkenen polnischen Kriegsschiff zu schwimmen und von dort interessante Souvenirs mitzubringen. Überhaupt macht sich das Buch gut als Ferien-Sommer-Lektüre; es vermittelt das Gefühl eines entspannten Sommers am Danziger Ostseestrand.

Der stärkste der Halbstarken wird nur seinem Nachnamen nach vorgestellt und heißt Mahlke. Der Erzähler des Romans beschäftigt sich vor allem mit ihm und was mit zwischen ihm und Mahlke passierte, als der Krieg mehr und mehr Teil ihres Lebens wurde. Über den weiteren Inhalt will ich hier nicht zu viel sagen, um die Spannung nicht zu zerstören, nur soviel: Wie Grass das weitgehend vom Krieg unberührte (oder besser: unberührt scheinende) Alltagsleben in Danzig verwebt mit den grausamen Ereignissen und Erlebnissen des Zweiten Weltkriegs, fand ich brilliant. Definitiv also eine Leseempfehlung.

veröffentlicht am 10. August 2008 um 14.18 Uhr
in Kategorie: 1000 Bücher

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