13. August

Und dann war da noch ein grauer, kalter, verregneter Augustmittwoch in Kiel, heute vor genau zwei Jahren. M.s Schwester kam zu Besuch aus dem warmen Ungarn, und innerhalb einer halben Stunde war der Entschluss gefasst, ein paar Sachen zusammenzupacken, das Auto vollzutanken und einfach loszufahren, Richtung Süden. Als am Abend im Rheintal bei Freiburg die untergehende Sonne über den Vogesen uns zum Blinzeln zwang, wussten wir, dass es die richtige Entscheidung war.

Es ist reiner Zufall gewesen, dass genau 50 Jahre zuvor in Berlin viele fleißige Hände damit begangen, 15 Millionen Menschen hinter Stacheldraht einzusperren für die nächsten 28 Jahre. (Dass es “nur” 28 Jahre sein würden, wussten sie natürlich damals noch nicht.) Am Morgen des 13. August, genau ein halbes Jahrhundert, nachdem Honeckers Operation anlief, fuhren wir von Chambéry auf einer wunderschönen Rue nationale in die französischen Alpen hinein. Mittags hielten wir am Lac du Rosemond, packten Baguette und Käse aus und sahen einen See so türkisblau, wie wir ihn für den Rest unseres ganzen Lebens nie mehr sehen würden. Nachmittags kurvten wir über den Kleinen Bernhard-Pass, sahen den Mont Blanc, zum Greifen nah, wie ausgestanzt aus dem tiefblauen Himmel. Wir begannen zu japsen – waren wir doch schon über 2.000 Meter hoch.

Am Abend fuhren wir, wie sanft schwebend, durch das Aostatal und fühlten zum ersten Mal seit der Abfahrt in Kiel die volle Wärme des Südens auf unserer Haut. Später, als es langsam dunkel wurde und Nebel aufstieg über der Poebene, erwartete uns Steffania, die Wirtin im Al Mobile Antico. Wir fuhren dann noch zu Roberta im Nachbardorf, um unseren Hunger mit Pizza aus dem Steinofen zu stillen.

Am nächsten Tag würden wir im Mittelmeer baden und den Geschmack von Salz auf der Haut genießen.

Wie wichtig Freiheit ist, merkt man wohl erst dann, wenn sie fehlt. Wie einfach das Leben doch sein kann.

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Neue ePaper-App: FAZ begeht Online-Harakiri

Totholz auf Holztisch

Totholz auf Holztisch, mit Trauerblumen?

Zu Beginn dieses Jahres habe ich nach fast zehn Jahren mein Abo der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gekündigt. Die Zustellung der FAZ klappt im Winterhalbjahr in Kiel nur recht unzuverlässig: Häufig reichten schon zwei Zentimeter Neuschnee, und die Fußmatte blieb am Morgen leer.

Doch wir leben ja nun im 21. Jahrhundert, und da bot sich eine Alternative an: Das e-paper, bequem auf dem Tablet PC zu lesen. Leider gibt es (bis heute) keine Android-App, aber die iOS-App fürs iPad funktionierte wirklich recht anständig.

Gut, ein paar Merkwürdigkeiten waren da, und sie hätten mich vielleicht stutzig machen sollen. Dass auch der elektronischen Ausgabe der Kursteil – mehrere eng “bedruckte” Seiten – mitgegeben wird, wäre vielleicht noch als Schrulligkeit hinzunehmen. Aber dass Artikel, die auf Seite 1 anfangen und dann im Inneren fortgesetzt werden, nicht in einem Stück zu lesen sind und auch kein Link zur Fortsetzung vorhanden ist, hat mich schon gestört. Die FAZ-App war, bis zu dieser Woche, eine Eins-zu-eins-Kopie der papiernen FAZ. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Die Qualität der Bilder war sogar deutlich schlechter als in der Printausgabe.

Dennoch konnte ich mich im Januar recht schnell entscheiden, auf die Papierausgabe zu verzichten: Das rein elektronische Abo ist deutlich günstiger als das Abo der gedruckten FAZ; die Ersparnis liegt bei immerhin 15 Euro im Monat (31,90 statt 46,90 Euro). Wenn man eben bereit war zu akzeptieren, dass sich die gesamte Bedienlogik an einem Printprodukt orientierte, konnte man glücklich werden mit der FAZ-iPad-App.

Im Laufe der letzten Woche gab es nun ein Update. Zunächst einmal wurde man zum Umstieg auf die neue Version gezwungen – die alte App funktionierte einfach nicht mehr. Dann ist die neue App sehr viel langsamer als die alte. In vielen Aspekten ist sie nicht einmal schlechter als die alte Version, nur deutlich langsamer und grundsätzlich anders in der Bedienung. Verkleinerungs- und Vergrößerungsgesten funktionieren nicht mehr; der Zugriff auf die einzelnen Bücher innerhalb einer Ausgabe ist deutlich erschwert. Und am schlimmsten: Alle paar Minuten stürzt die App vollständig ab. Da auch der Start der App recht lange dauert, ist seitdem das Zeitungslesen zur nervenaufreibenden Geduldsprobe geworden.

Ein Stück Software dieser Qualität auf (zahlende!) Kunden loszulassen, zeigt mir, dass für die FAZ alles Digitale immer noch nerviges Gedöns ist. Seit Jahren gehen die Leserzahlen der gedruckten Ausgabe zurück; mit Nachrichten-Websites wie faz.net ist kein oder nur wenig Geld zu verdienen. Die FAZ reagiert darauf überwiegend dadurch, dass sie ihre bislang lukrativen Printprodukte ohne allzu große Anpassung ins Internet drücken will. Ach ja, und mit der Durchsetzung des Leistungsschutzrechts.

Warum eigentlich muss ich mich als ein Leser, der durchaus bereit ist, Geld für Nachrichten auszugeben, für ein Abonnement einer Zeitung entscheiden? Warum gibt es nicht eine App, in die alle großen deutschen – vielleicht sogar internationalen – Zeitungen und Zeitschriften ihre Artikel einstellen? Der Leser könnte dann die Artikel oder Zeitungsteile lesen, die ihn interessieren – vielleicht den Politikteil der FAZ, aber das Feuilleton der Süddeutschen, dazu vielleicht noch den Leitartikel der taz und ein paar Meldungen aus den lokalen Kieler Nachrichten.

Abgerechnet werden könnte artikelweise, wobei sinnvollerweise eine Deckelung der Kosten eingeführt werden sollte pro Zeitung, d. h., wenn zum Beispiel jeder Artikel 20 Cent kostet, die FAZ-Ausgabe gesamt aber 2,00 Euro, dann müsste nach Abruf des 10. FAZ-Artikels der Rest der FAZ dieses Tages ohne weitere Kosten zur Verfügung stehen.

So wahnsinnig schwierig wäre das doch eigentlich gar nicht, und meine Ideen sind auch nicht besonders neu oder revolutionär.

Also, liebe Tante FAZ: Ich gebe gerne Geld aus fürs Zeitunglesen. Ich möchte es aber nicht in Form von regendurchnässtem Papier tun, das ich morgens von meiner Fußmatte hineinholen muss, wenn Eure Logistikkette gerade mal auf Zack ist. Erzählt mir nicht, dass das, was ich möchte, technisch nicht möglich wäre. Apple hat mit iTunes vorgemacht, dass so etwas geht.

So könnten die FAZ und ich doch noch Freunde bleiben. Wenn sie es aber nicht (bald) schafft, zumindest die e-paper-App wieder in einen brauchbaren Zustand zu versetzen, dann werde ich wohl mein e-paper-Abo kündigen und der Kostenlos-Kultur im Internet huldigen, indem ich eben auf faz.net lese. Viele, wenn nicht sogar die meisten Artikel der Printausgabe bekommt man da nämlich sowieso kostenfrei. Was übrigens auch nicht gerade die Wertschätzung der FAZ für ihre zahlenden Kunden ausdrückt.

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Kaum noch Streit vor lauter Chaos

Niemand scheint in Rom noch zu bezweifeln, dass Mario Monti Ministerpräsident wird. Ihn stützt eine breite Koalition. Doch erst kommt das Votum über die Wirtschaftsreformen.

11.11.2011, S. 5 (Politik)

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Warum ich die Katholiken (manchmal) beneide

4048217471_56f308896aIch bin evangelisch, und auch wenn ich nicht behaupten kann, alle Fragen der protestantisch-christlichen Theologie verinnerlicht zu haben, bin ich doch froh darüber, nicht Katholik zu sein. Aber manchmal beneide ich die Katholiken etwas. Zum Beispiel in den letzten Tagen, als Benedikt XVI. Deutschland besucht hat.

Zum Beispiel seine Rede im Bundestag. Vieles daran hätte ich sofort unterschrieben, alles daran war bedenkenswert.

Oder die Forderung Benedikts (in seiner heutigen Rede in Freiburg), die Kirche müsse sich “entweltlichen”:

[Es gilt], jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen, die nichts von der Wahrheit unseres Heute ausklammert oder verdrängt, sondern ganz im Heute den Glauben vollzieht, eben dadurch dass sie ihn ganz in der Nüchternheit des Heute lebt, ihn ganz zu sich selbst bringt, indem sie das von ihm abstreift, was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheiten sind.

Benedikt hat Recht: Die christliche Kirche – egal, ob katholische oder evangelische -, verliert ihren einmaligen Charakter, wenn sie sich verweltlicht. Natürlich soll und muss die Kirche auch in weltlichen Dingen eine Rolle spielen – das wird von Benedikt auch nicht geleugnet. Aber in ihrem Kern darf sich Kirche nicht einlassen in ein opportunistisches Kompromissgeschacher um theologische Inhalte, der ihrer Botschaft nur Schaden zufügen kann.

Deswegen finde ich auch Benedikts Ablehnung einer Ausweitung der Ökumene glaubwürdig. Wenn aus katholischer Sicht die Unterschiede so groß sind, dann ist es grundfalsch, wenn sich Katholiken (und Protestanten) hier einen Pippi Langstrumpf-Glauben zurecht zimmern nach dem Motto: “Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt”. Bundestagspräsident Lammert hat von Benedikt Schritte zur Überwindung der Kirchenspaltung gefordert. Warum eigentlich? Es hindert doch nichts die beiden Konfessionen daran, zusammenzuarbeiten und gleichzeitig ihre Unterschiede anzuerkennen.

Wie sieht es bei uns Protestanten aus? Wir haben keinen Benedikt. Wir haben Margot Käßmann, die für vieles von dem steht, was Benedikt kritisiert. Für einen verweltlichten, allzu häufig auch (partei)politisierten und damit letztlich beliebigen Glauben. Leider.

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Die Arroganz von Wikileaks & Co.

Gestern wurde bekannt, dass Wikileaks die Kontrolle verloren hat über die Cablegate-Daten – ein Leck im Leck sozusagen. Cablegate beinhaltet über 250.000 Botschaftsdepeschen der USA. In Bezug auf Deutschland steht da einiges unterhaltsames, vor allem aber viel belangloses Zeugs drin. Dass Guido Westerwelle nicht gerade ein außenpolitisches Talent ist, sondern eher “inkompetent”, dürften die meisten politisch Interessierten in diesem Lande schon vor Cablegate gewusst haben. Dementsprechend war die ganze Affäre  hier auch nur recht kurz in den Schlagzeilen. Ach ja, und der ehemalige Büroleiter von Westerwelle, Helmut Metzner, verlor seinen Job, weil er in der US-Botschaft Interna ausgeplaudert hatte.

In Bezug auf Länder, die mit den USA eine andere Art von Beziehung pflegen – Iran, Afghanistan, Irak – enthalten die Cablegate-Daten aber durchaus heikles Material, denn häufig werden die einheimischen Informanten, die dem Botschaftspersonal der USA die Informationen geliefert haben, namentlich genannt (oder sind zumindest anhand der genannten Einzelheiten identifzierbar). Dort mag es dann auch zu Konsequenzen kommen, die über eine reine Entlassung hinausgehen.

Nachdem nun die ganzen Daten, ohne jegliche Streichung von Namen, offenbar öffentlich sind, zeigt sich, wie arrogant Assange, Domscheit-Berg & Co. eigentlich sind. Denn die jetzige Veröffentlichung der ganzen Cablegate-Daten war auch von den Leakern nie gewollt. Sie wollten die Daten kontrolliert, das heißt: zensiert, öffentlich machen. Nichts anderes hätten übrigens die USA selbst gemacht: Nach dreißig Jahren wäre der Großteil der Botschaftsdepeschen sowieso öffentlich geworden. USA und Wikileaks stritten sich letztlich nur darum, wer darüber entscheidet, wann und in welchem Umfang die Botschaftsdepeschen veröffentlicht werden. Der Unterschied ist: Die USA sind rechtmäßiger Besitzer der Daten, außerdem ein Rechtstaat. Wikileaks ist ein unmoralischer, chaotischer Haufen, durch niemanden legitimiert (außer durch die eigene Überheblichkeit), angeführt von einem Narzissten. Moralisch überlegen waren die Leaker nie.

(Sehr deutlich, aber lesenswert hierzu auch Zettel.)

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Polski Elvis, mein polnischer Halbbruder

Adam Ga?ka aka Polski Elvis:

Wenn’s mit der Politikwissenschaft doch nix wird, kann ich ja immer noch umsatteln…

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Tartenschutz

Warum ehrt die Unesco das Essen der Franzosen?

18.11.2010, S. 33 (Feuilleton)

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Der amerikanische Saum

Die New Yorker Mode ist fürs Frühjahr in bester Nachkrisenstimmung – und gibt sich mindestens so exklusiv wie inklusiv.

16.09.2010, S. 9 (Deutschland und die Welt)

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Am See Genezareth mit Helmut aus Memmingen?

see_genezareth
Am See Genezareth ist’s schön. Ich weiß das, ich war schon mal da. Bald will ich wieder hin, deswegen versuche ich, im Internet ein Hotel zu buchen – dank Web 2.0 alles kein Problem. Auf der Seite eines Hotels in Tiberias sind gleich auch Testimonials von Kunden integriert. Da lese ich:
helmut_aus_memmingen
Ich habe zwar nicht besonders hohe Ansprüche an meine Herberge, aber am See Genezareth möchte ich bestimmt nicht ein reichliches Frühstück einnehmen in einem Speisesaal, in dem auch Helmut aus Memmingen sitzt. Ich muss wohl noch weiter suchen…

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Wanz in a lifetime

New York hat „bed bugs“ am Hals

Wie das Internetportal „bedbugregistry.com“ meldet, gilt New York mit mehr als 13 000 im vergangenen Jahr bei den Behörden angezeigten Fällen als Wanzen-Hochburg der Vereinigten Staaten.

04.09.2010, S. 9 (Deutschland und die Welt)

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