Wibke Bruhns: Meines Vaters Land (1000 Bücher: 2)

Wibke Bruhns: Meines Vaters Land. Geschichte einer deutschen Familie, Berlin 2004.

Wibke Bruhns Vater, Hans Georg Klamroth, Reserveoffizier der Wehrmacht, wurde am 26. August 1944 hingerichtet, weil er vom gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wusste, aber nichts dagegen unternommen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war Bruhns noch ein kleines Kind; sie hat keinerlei Erinnerung an ihren Vater. In diesem Buch versucht sie, die Geschichte ihrer Familie und ihres Vaters aufzuarbeiten.

Bruhns setzt früh an. Die Familiengeschichte des Halberstädter Klamroth-Clans ist offenbar seit Mitte des 19. Jahrhunderts gut überliefert, und Bruhns erzählt somit nicht nur die Geschichte von Hans Georg (den sie “HG” nennt), sondern auch schon von dessen Vater – ihrem Großvater – Kurt. Somit liegt der Fokus gar nicht, wie man vielleicht vermuten mag, auf dem Zweiten Weltkrieg und der Hinrichtung des Vaters. Der Zweite Weltkrieg wird kaum umfangreicher beschrieben als der Erste.

Dieses Gleichgewicht ist die Stärke des Buches. Nach und nach verdichtet sich die Erzählung Bruhns zu einem Sittengemälde einer deutschen Familie des gehobenen Bürgertums, ihrer Verwicklung in die deutsche Geschichte, ihrer Mitschuld an Nationalsozialismus und Holocaust.

Eine Eigenschaft des Buches, die man als Schwäche verstehen kann, ist es hingegen, dass Bruhns sehr vieles, was sie über ihre Vorfahren berichtet, kommentieren oder verurteilen muss. Dadurch nimmt sie dem Erzählten einen Teil der Wirkung, die ohne diese Kommentare und Verurteilungen ungleich stärker gewesen wäre. Gleichzeitig macht dieses Sich-in-Beziehung-Setzen zur eigenen Familiengeschichte natürlich das Hauptanliegen der Autorin aus. Sie will nicht nur berichten, sie will verstehen und sie will werten. Am Ende ist Bruhns doppelt betrogen worden um ihren Vater. Weder war er im Widerstand tätig, noch hat er den Nationalsozialismus überlebt.

veröffentlicht am 6. January 2009 um 9.18 Uhr
in Kategorie: 1000 Bücher

Keine Kommentare »

Leave a comment