Ist Tintin schwul?
Bei Andreas Platthaus fand ich einen Hinweis auf einen Artikel von Matthew Parris in der britischen Times, in dem behauptet wird, Tintin sei schwul. Der Fall, so Parris, sei eindeutig:
A callow, androgynous blonde-quiffed youth in funny trousers and a scarf moving into the country mansion of his best friend, a middle-aged sailor? A sweet-faced lad devoted to a fluffy white toy terrier, whose other closest pals are an inseparable couple of detectives in bowler hats, and whose only serious female friend is an opera diva…
Der Artikel liest sich amüsant, doch bleibt Parris wirkliche Beweise schuldig. In der Tat hatte Tintin nie eine Freundin, und der einzige weibliche Charakter von Bedeutung, der in den Tintin-Bänden vorkommt – natürlich die Operndiva Bianca Castafiore – wird sowohl von Kapitän Haddock als auch von Tintin als Zumutung wahrgenommen – wegen ihres Gesangs.
Parris macht sogar den Partner von Tintin aus: den chinesischen Jungen Chang Chong-Cheng, dem Tintin bei einer Flut das Leben rettet (Der blaue Lotos) und der ihn – ganz entgegen seiner sonstigen Veranlagung – zu hochemotionalem Handeln veranlasst: Gegen alle Vernunft fliegt Tintin in den Himalaya, um den totgeglaubten Chang aus den Händen des Yeti zu befreien (Tintin in Tibet). Was Parris vielleicht unterschlägt, vielleicht nicht weiß: Die Freundschaft Tintins und Changs hat ein Vorbild im echten Leben: Hergé hatte 1934 den chinesischen Künstler Zhang Chongren kennengelernt. Dessen Einfluss auf Hergé kann gar nicht unterschätzt werden: Erst nach dieser Begegnung brachte Hergé seinen Zeichenstil – die Ligne claire – zur Perfektion und legte seine europazentrierte, eigentlich kolonialistisch-überhebliche Attitüde der ersten Tintin-Jahre zugunsten einer neuen Weltoffenheit ab, die sich zuerst in Der blaue Lotos (1936) zeigte.
Nun könnte man natürlich fragen, ob Hergé und Zhang Chongren vielleicht schwul waren. Das ist aber ziemlich unwahrscheinlich, denn Hergé galt Zeit seines Lebens als Frauenheld. Es ist hingegen viel wahrscheinlicher , dass Tintin asexuell ist. Das läßt sich auch viel besser begründen mit der Entstehungsgeschichte: Hergé schuf Tintin anfangs für Le Petit Vingtième, die Jugendbeilage der belgischen Zeitung Le Vingtième Siècle. Diese Zeitung war katholisch-konservativ durch und durch – der Chefredakteur war ein Abt. Kein Wunder, dass man in der Jugendbeilage nicht unbedingt einen Latin Lover als Titelfigur haben wollte.
veröffentlicht am 8. January 2009 um 21.35 Uhr
in Kategorie: Comic & Graphic Novel
Und dies ist ein schwules X:
X
Komm ich jetzt auch in die Zeitung?
Comment by jeeves — 9. January 2009 @ 13:56
Zu diesem thema bitte ich den Band : Tim und Struppi – Der rosarote Lotos nicht ausser Betracht zu lassen:
Hier gehts zum beitrag: Obszönes “Tim und Struppi”-Buch verboten
http://www.comicradioshow.com/Article2757.html
Comment by maqz — 11. January 2009 @ 20:54
Meine Güte, wer macht sich denn bitte über solche Sachen Gedanken? Wobei… Nachdem Wissenschaftler herausgefunden haben wollen, dass das Quaken einer Ente kein Echo ergibt – ob das nur ein urban myth ist? – wundert mich fast nichts mehr…Hat man mal M.R.R. dazu befragt? Also nicht zu der Sache mit der Ente, sondern zum Verdacht der “Andersartigkeit” Tintins.
Comment by lunamea — 18. January 2009 @ 15:42
@maqz: Vielen Dank für den Hinweis, kannte ich noch nicht!
@lunamea: Die Tintinologie ist eine ernstzunehmende Wissenschaft. Da hast Du offenbar noch eine Bildungslücke!
Comment by tapastalatukat — 18. January 2009 @ 21:23
Ich habe Prof. Google befragt und der hat kaum was zu sagen zu Tintinologie. Ich bitte um mehr stichhaltige Beweise der Ernsthaftigkeit. Weil bislang mangelt es daran ganz gewaltig.
Comment by lunamea — 20. January 2009 @ 09:41