Warum ich die Katholiken (manchmal) beneide

4048217471_56f308896aIch bin evangelisch, und auch wenn ich nicht behaupten kann, alle Fragen der protestantisch-christlichen Theologie verinnerlicht zu haben, bin ich doch froh darüber, nicht Katholik zu sein. Aber manchmal beneide ich die Katholiken etwas. Zum Beispiel in den letzten Tagen, als Benedikt XVI. Deutschland besucht hat.

Zum Beispiel seine Rede im Bundestag. Vieles daran hätte ich sofort unterschrieben, alles daran war bedenkenswert.

Oder die Forderung Benedikts (in seiner heutigen Rede in Freiburg), die Kirche müsse sich “entweltlichen”:

[Es gilt], jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen, die nichts von der Wahrheit unseres Heute ausklammert oder verdrängt, sondern ganz im Heute den Glauben vollzieht, eben dadurch dass sie ihn ganz in der Nüchternheit des Heute lebt, ihn ganz zu sich selbst bringt, indem sie das von ihm abstreift, was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheiten sind.

Benedikt hat Recht: Die christliche Kirche – egal, ob katholische oder evangelische -, verliert ihren einmaligen Charakter, wenn sie sich verweltlicht. Natürlich soll und muss die Kirche auch in weltlichen Dingen eine Rolle spielen – das wird von Benedikt auch nicht geleugnet. Aber in ihrem Kern darf sich Kirche nicht einlassen in ein opportunistisches Kompromissgeschacher um theologische Inhalte, der ihrer Botschaft nur Schaden zufügen kann.

Deswegen finde ich auch Benedikts Ablehnung einer Ausweitung der Ökumene glaubwürdig. Wenn aus katholischer Sicht die Unterschiede so groß sind, dann ist es grundfalsch, wenn sich Katholiken (und Protestanten) hier einen Pippi Langstrumpf-Glauben zurecht zimmern nach dem Motto: “Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt”. Bundestagspräsident Lammert hat von Benedikt Schritte zur Überwindung der Kirchenspaltung gefordert. Warum eigentlich? Es hindert doch nichts die beiden Konfessionen daran, zusammenzuarbeiten und gleichzeitig ihre Unterschiede anzuerkennen.

Wie sieht es bei uns Protestanten aus? Wir haben keinen Benedikt. Wir haben Margot Käßmann, die für vieles von dem steht, was Benedikt kritisiert. Für einen verweltlichten, allzu häufig auch (partei)politisierten und damit letztlich beliebigen Glauben. Leider.

veröffentlicht am 25. September 2011 um 18.50 Uhr
in Kategorie: In der Welt

Ein Kommentar »

  1. Mir ist Redlichkeit in Dingen des Glaubens grundlegend, weil elementarer Bestandteil des Religiösen. Redlichkeit hat viel mit Aufmerksamkeit und Klarheit, innerem Mut und engagierter Bereitschaft zu tun. Ich freue mich über jeden Menschen, dem diese Eigenschaften ebenfalls wichtig sind. Daher danke ich dem jüdischen Freund, der mir den Beitrag zusandte und dem Autor, dass er zu einem anerkennendes Wort für die Katholiken (nach Max Weber “die Dümmeren im Lande”) bereit gewesen ist. Ja, ich bin der Meinung, Protestanten und Katholiken können mit unterschiedlichen Sichtweisen zusammenarbeiten. Wir haben innerhalb der katholischen Kirche (weil Weltkirche) eine solche Vielzahl von Spielarten, sodass ich das von katholischer Seite ganz entspannt sehe.

    Comment by Hubert Salden — 10. June 2012 @ 11:05

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