Humoriges vom Staatskonzern: Der E-Postbrief

Manchmal holt die Wirklichkeit von heute die Witze von gestern ein. Ein E-Mail-Dienst mit Ruhetag am Montag, bei dem es schon mal vier Tage dauern kann, bis eine Mail zugestellt ist, ist ja an sich schon ein schlechter Witz. Genau so etwas versucht die Deutsche Post gerade mit einer absurd riesigen Werbekampagne einzuführen: Den E-Postbrief. Merke: Die Größe einer Werbekampagne ist umgekehrt proportional zum Nutzen eines Produkts für den Kunden.

Der “Nutzen” in diesem konkreten Fall: Wer den E-Postbrief der Post nutzt, muss täglich seine E-Mails abrufen, der Weitergabe seiner Daten zustimmen und zahlt dann für eine E-Mail genauso viel wie für einen Brief aus Papier: 55 Cent. Dafür hat dann ein E-Postbrief an ihn die gleichen Rechtsfolgen (in Hinsicht Verbindlichkeit) wie ein konventioneller Brief.

Aber der größte Witz ist eben: Google hat das schon vor Jahren angeboten. Bloß war es bei denen ein Aprilscherz und keine ernstgemeinte Geschäftsidee.

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Das International Center: Aushängeschild der Uni Kiel

Hier drin: International Center der Uni Kiel

Hier drin: International Center der Uni Kiel

Das International Center der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist zuständig für die Betreuung ausländischer Studierender in Kiel und für die Betreuung Kieler Gaststudenten an ausländischen Hochschulen. Früher, als ich anfing zu studieren, hieß das International Center noch Akademisches Auslandsamt. Dann hielt man es für notwendig, diese etwas sperrige Bezeichnung durch eine englische zu ersetzen. Aber, wie bei Arbeitsamt/Arbeitsagentur oder Raider/Twix: Es ist immer noch das gleiche drin.

In diesem Fall: Die gleichen Mitarbeiter. Womit ich nichts gegen den öffentlichen Dienst sagen möchte. Dort arbeiten viele Mitarbeiter, die sehr engagiert sind. Aber es arbeitet eben auch Frau K. dort. Vielleicht hatte sie auch einfach nur einen schlechten Tag.

Das International Center hatte einen Zulassungsbescheid zum Studium verschickt. Dort heißt es:

Die Immatrikulation erfolgt in der Sprechstunde von Frau [K.] im International Center. Die Sprechstunde findet statt: montags 09:00-12:00 Uhr, dienstag 14:00-16:00 Uhr und donnerstags 09:00-12:00 Uhr.

Sprechstunden sind an der Uni ja nun eine heilige Sache. Frau K. hat zweifelsohne viel zu tun, so dass sie für den lästigen Publikumsverkehr nur acht Stunden in der Woche zur Verfügung stehen kann. Aber man soll nicht meckern: Es gibt durchaus Uni-Einrichtungen, die deutlich weniger als acht Stunden in der Woche erreichbar sind.

Also ging die angeschriebene Studentin heute – am Montag um 11 Uhr – mithin also innerhalb der auf dem Bescheid angegebenen Zeiten – zum International Center in das auf dem Bescheid angegebene Büro von Frau K. Diese blöffte sie an, was sie denn hier wolle, es seien doch Semesterferien und die Sprechzeiten entsprechend reduziert. Dumm nur, dass die Immatrikulation nach Auskunft des Beleges auf jeden Fall bis zum 24. September erfolgen muss – also die gesamte Zeit zur Erledigung der Immatrikulation in den Semesterferien liegt.

Aber nun kommt etwas Typisches im Umgang von Bittsteller und Beamten ins Spiel: Die Gnade. Man ist ja kein Unmensch. Nachdem Frau K. der frechen internationalen Studentin deutlich genug gemacht hatte, wie abwegig ihr Verlangen ist, während der auf dem Bescheid angegebenen Sprechstunde tatsächlich vorstellig zu werden, und nachdem die Studentin sich vielmals für diese Ungeheuerlichkeit entschuldigt hatte, überkam Frau K. ein Anfall von Barmherzigkeit, und so wurde die Immatrikulation tatsächlich durchgeführt, nicht ohne währenddessen darauf hinzuweisen, dass es sich aber nun wirklich um eine Ausnahme handele und man außerdem, bedaure, noch eine Sondergebühr von 6 € für einen angeblich verlorenen (in Wahrheit aber auf dem Weg von Hochhaus zum International Center von der Uni verschlampten) Rückmeldeantrag erheben müsse. So konnte am Ende, nachdem Frau K. noch einmal zeigen durfte, wer Herr ist und wer Knecht, der Verwaltungsvorgang abgeschlossen werden.

Ja, das Leben im öffentlichen Dienst ist wahrlich eine Qual, beizeiten.

Nun könnte man sich natürlich sorgen darum, dass das International Center auf diese Art und Weise internationale Studierende verschreckt. Schließlich ist diese Behörde (und etwas anderes ist es ja nicht) der erste Berührungspunkt für Studierende aus aller Welt, die für ihr Studium oder für ein Gastsemester an die Christiana Albertina kommen. Aber das ist natürlich vollkommen abwegig, denn letztlich zeigt das International Center nur den Ausländern von Anfang an, wie es in der Verwaltung einer anständigen deutschen Universität zugeht. Wo kämen wir sonst auch hin.

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Helmut Kohl: Die Gnade der frühen Geburt

Helmut Kohl wird heute 80. In der FAZ schreibt Georg Paul Hefty einen Gratulationsartikel, der Kohls Biographie nachzeichnet. Schon im ersten Absatz wird die Marschrichtung klar:

Seine Bilanz am 80. Geburtstag ist glänzend, aber nicht makellos. Der Glanz wird in den Schulbüchern stehen, der Makel, über den sich die Mediengesellschaft empörte, wird vergessen werden.

Das mag ja sein. Neben den Schulbüchern gibt es allerdings noch die geschichtswissenschaftliche Literatur, und bislang hatte ich doch angenommen, dass die FAZ sich eher an zweiter orientiert. Aber in der Sache ist es natürlich unbestritten: Kohl ist einer der erfolgreichsten Kanzler der Bundesrepublik. Trotzdem wäre es besser gewesen, wenn Hefty die hagiographischen Züge seiner Kohl-Ikone in Artikelform etwas weniger herausgestellt hätte. Statt vielen Beispielen nur eines. Über den berühmt-berüchtigten Vergleich Gorbatschow-Goebbels etwa schreibt Hefty:

Als im Kreml ein etwa gleichaltriger Generalsekretär die Macht übernahm und Kohl damit rechnete, dass die Koexistenz der beiden lange dauern würde, erklärte er ihn mit einem groben Vergleich zum Propagandisten. Michail Gorbatschow war wütend, aber er hatte wohl verstanden, dass in Bonn einer regierte, der sich nicht mehr vor den Sowjetführern fürchtete. Obwohl sich Kohl wegen der breiten Empörung – diese entsprang der Neigung zum Wohlverhalten – von seiner Aussage distanzierte, wusste nun der Mann im Kreml, dass der Kanzler nicht mit Schlagworten zu beeindrucken war.

Das ist einfach grob verfälschend. Zum einen unterschlägt Hefty den Hauptinhalt des Kohl-Zitates – den Vergleich mit Goebbels. Zum zweiten unterstellt Hefty Kohl selbst bei dessen Fehltritten noch Absicht, Weitsicht und Intelligenz. Doch gerade in diesem Fall ist es ganz einfach. Man muss nur mal nachsehen, was Kohl selbst später dazu gesagt hat:

Das war eine Dummheit, eine kapitale Dummheit. […] Es hat mir sehr geschadet. Ich habe mich dafür auch später bei Gorbatschow entschuldigt.

Damit ist die Sache klar. Hefty ist dem greisen Kohl gegenüber zu rücksichtsvoll. Ab einem gewissen Punkt schlägt Rücksichtnahme um in mangelnden Respekt, in ein Nicht-mehr-ganz-für-voll-Nehmen. Das hat ein europäischer Staatsmann vom Format eines Helmut Kohl nicht nötig.

Georg Paul Hefty: Patriot und Europäer. Zum 80. Geburtstag von Helmut Kohl. FAZ vom 03.04.2010, S. 10.
Interview mit Helmut Kohl, in: Heribert Schwan/Rolf Steininger: Die Bonner Republik 1949-1998, Berlin 2009, S. 302-356, hier S. 314 f.

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Er hatte einen Kameraden

Im Prozess gegen John Demjanjuk sagt der ehemalige Wachmann Alex N. aus

25.02.2010, S. 5 (Politik)


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Stadt, Land, Stuss

Kein NRW-Geld für Kölner Archiv?

[…] Dabei hat die Versicherung schon 61,5 Millionen Euro ausbezahlt. […] Es macht uns skeptisch, sagt Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, „dass der Kämmerer dieses Geld für den Ausgleich des Defizits im Haushalt einsetzt“.

26.02.2010, S. 35 (Feuilleton)

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Niggemeier und das Gesetz

Der bekannte Medien-Journalist und Berufsblogger Stefan Niggemeier, der ab und zu auch für die FAZ schreibt, hat bei Youtube Videos hochgeladen, über deren Urheberrechte er nicht verfügte. Youtube hat ihm nach einer Mahnung daraufhin das Benutzerkonto und alle Videos gelöscht.

Wenn mir so etwas passiert wäre, wäre ich wahrscheinlich froh, dass die Rechteinhaber mich nicht gleich abgemahnt haben. Stefan Niggemeier hingegen haut in die Tasten und schreibt einen Artikel in seinem Blog. Er gibt zwar zu, dass er die Videos nicht hätte hochladen dürfen, windet sich aber hin und her: Er will sich auf das Zitatrecht berufen – obwohl die Videoausschnitte unbearbeitet waren und eben nicht nur von den jeweiligen Blogartikeln, sondern auch direkt auf der Youtube-Seite abrufbar waren. Er meint, es sei nicht klug von den Rechteinhabern, die Löschung zu verlangen. Er regt sich über einen Rechtschreibfehler in einer automatisch generierten Antwort-Mail auf. Er wundert sich darüber, dass die gleichen Inhalte auf der Seite des Rechteinhabers öffentlich und kostenlos verfügbar sind.

Bei all dem ist der entscheidende Punkt: Die Rechtslage steht gegen  Niggemeier. Eine unkommentierte, unbearbeitete Verbreitung eines Videos ist nicht vom Zitatrecht gedeckt. Darüberhinaus besteht kein Rechtsanspruch auf einen Youtube-Account. Und Niggemeier könnte die Videos ohne Probleme selbst hosten und einen Rechtstreit riskieren.

Das alles wäre im Grunde nicht weiter erwähnenswert, weil es in der deutschen “Blogosphäre” ein ganz alltäglicher Vorgang ist. Auch ist es kein Wunder, dass gleich jemand “Zensur” schreit. Interessant sind aber die Kommentare. Dort hat sich offenbar ein Kommentator geweigert, eine korrekte E-Mail-Adresse einzugeben, woraufhin Niggemeier dessen Kommentare gelöscht hat. Niggemeiers Begründung:

Die Verpflichtung verstößt nicht gegen das Gesetz.

Richtig. Das Löschen von Youtube-Accounts mit urheberrechtlich bedenklichen Inhalten übrigens auch nicht.

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Ausstellung in München: “Fremde im Visier”

kameraBilder vom 2. Weltkrieg haben wir alle zuhauf im Kopf. Ganz überwiegend sind es Bilder und Filme, die von Kriegsberichterstattern auf beiden Seiten angefertigt worden sind. Durch die andauernde und perpetuierte Aufarbeitung des 2. Weltkrieges durch Film und Fernsehen sind diese Bilder mehr und mehr in unser kollektives Bewusstsein übergegangen.

Eine Ausstellung im Münchener Stadtmuseum (“Fremde im Visier“, noch bis Ende Februar 2010) zeigt eine andere Bildwirklichkeit aus dem Krieg, die mindestens ebenso authentisch ist wie die bekannten Bilder der Profis: Amateuraufnahmen deutscher Soldaten aus dem Krieg. Durch die Ausstellung ganzer Fotoalben einzelner Soldaten bekommt der Betrachter ein sehr eindrucksvolles Erlebnis davon, wie Krieg für einen einzelnen Betroffenen aussehen kann. Während bei Guido Knopp und seinen Helfern das große Bild, die Makroperspektive im Vordergrund steht, nähert man sich hier den Ereignissen aus dem Blickwinkel des einzelnen Beteiligten.

Natürlich ist diese Perspektive nie objektiv – dafür lässt sich aus der Auswahl der Motive und auch aus der kommentierenden Beschriftung sehr eindrucksvoll zeigen, mit welcher Einstellung die Betroffenen in den Kampf gezogen waren. Interessant sind auch Unterschiede im Blick auf Land und Einheimische im Osten und im Westen: Im Osten wurde Juden und auch sowjetische Kriegsgefangene häufig in ekelhaft überheblicher Perspektive abgebildet – offenbar war die Rassenideologie auch an der “Basis”, bei den einfachen Soldaten, erstaunlich weit ins Unterbewusstsein gesickert oder schon vor dem Nationalsozialismus vorhanden. Bilderalben aus Italien oder Frankreich erwecken hingegen häufig den Eindruck einer ausgedehnten Urlaubsreise.

Wer es nicht bis Ende Januar in den tiefen Süden der Republik schafft, dem sei der Begleitband empfohlen.

Bild: alf sigaro (via Flickr), Lizenz.

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Trekkingreisen durch die Hohe Tantra

… bietet noch bis Ende Oktober der Veranstalter Natours. Die neuntägigen Touren führen zu Hochgebirgsseen, durch Latschenkieferwälder, über Gebirgswiesen und Schneefelder.

27.08.2009, S. R2 (Reiseblatt)

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Rostock und der anglo-amerikanische Feind der Werktätigen

Gestern war ich in Rostock. An der Grenze von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern steht ein Schild “Ehemalige innerdeutsche Grenze 1945-1990”. Es sieht so aus wie das ein paar Kilometer vorher aufgestellte, das auf die malerische Innenstadt von Lübeck hinweist, oder jenes ein paar Kilometer weiter, welches dem Vorbeireisenden die Hansestadt Wismar empfiehlt.

In Rostock angekommen, fand ich am Postamt diese Inschrift:

Kein erklärendes Wort. Im Gegenteil, die Inschrift wurde sogar anlässlich der Renovierung des Gebäudes sogar noch um drei Zeilen ergänzt (“Umgebaut und modernisiert im Jahre 1991 durch die Deutsche Immobilien GmbH Rostock”).

Natürlich ist der Wortlaut der Inschrift in der Sache zutreffend. Rostock wurde am besagten Tag durch englische und amerikanische Bomber angegriffen. 1953 bis 1956 ist das Postamt neu errichtet worden, wozu zweifellos viele fleißige Werktätige beigetragen haben.

Zwei relevante Tatsachen werden nicht genannt. Die erste: Die anglo-amerikanischen Bomber kamen nicht aus heiterem Himmel, sondern waren eine Antwort auf deutsche Angriffspolitik. Die zweite: Die Anglo-Amerikaner kämpften Seit’ an Seit’ mit sowjetischen Soldaten.

Man fragt sich, ob diese Inschrift wohl genauso darauf hingewiesen hätte, wenn es nicht amerikanische Fliegerbomben, sondern sowjetische Artilleriegranaten gewesen wären, die das Ende des alten Postamtes besiegelt hätten. Die Antwort ist natürlich klar. Der wahrheitsgemäße Hinweis auf anglo-amerikanische Bomber ist zugleich ein Hinweis auf den wahren Feind der werktätigen Massen im Jahre 1956.

Und so hängt diese Tafel auch noch heute am Postamt in Rostock. Sie behauptet ja nichts, was nicht stimmt. Dass auch das Verschweigen einer Tatsache eine Lüge sein kann, ist in Rostock noch nicht angekommen.

200 km sind es von Kiel nach Rostock. 20 Jahre ist es bald her, dass die Mauer weg ist. Kein Trabi in der ganzen Stadt mehr. Aber ein Stück weit ist es immer noch ein mir fremdes Land.

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Stehplätze bei Ryanair?

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob nur jemand die Ryanair-Homepage gehackt hat oder ob Ryanair-CEO Michael O’Leary es ernst meint. Aber wie ich O’Leary kenne, ist letzteres gar nicht mal so unwahrscheinlich.

Auf ihrer Homepage fragt Ryanair die Kunden, ob sie auch stehend fliegen würden und illustriert diese Möglichkeit auch gleich mit einer schematischen Grafik. Stehplätze sollen auf Flügen bis zu einer Stunde Dauer angeboten werden und kostenfrei sein (wie man Ryanair kennt, kommen da wohl am Ende noch einige Gebühren dazu: Kreditkartengebühr, Gurtbenutzungsgebühr, Sicherheitsgebühr, Buchungsgebühr…).

In der Sache fände ich das ja gar nicht so schlecht. In vielen Zügen/Bussen stehen die Passagiere auch länger als eine Stunde, und niemand regt sich darüber auf. Und ob es nun so viel bequemer ist, eine Stunde in einem Flugzeug zu sitzen als zu stehen, wage ich auch zu bezweifeln.

Ob Ryanair es nun wirklich ernst meint, steht aber doch etwas in Frage angesichts eines Youtube-Videos, auf das Ryanair verlinkt: “Ryanair’s corporate song – I’m still standing“. Das Video ist eine Satire eines irischen Radiosenders, in dem O’Learys Geschäftsgebaren aufs Korn genommen wird, insbesondere der Umgang mit den Passagieren: “I don’t care if you’re pregnant or elderly”…

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