Spenrath und Pesch: Der hohe Preis des Atomausstiegs

In Pesch

In Pesch

Eines der großen Projekte der rot-grünen Koalition ist der Ausstieg aus der Atomenergie gewesen. Auch wenn einige in der SPD und ganz vereinzelt sogar bei den Grünen in neuerer Zeit etwas zurückrudern, so stehen doch beide Parteien weiterhin im großen und ganzen hinter dieser Entscheidung.

Ob die friedliche Nutzung der Kernenergie richtig ist oder nicht, lässt sich lang und breit diskutieren. Ich bin schon seit Jahren der Meinung, dass wir in Deutschland einen Ausstieg vom Ausstieg brauchen. Die Alternative zur billigen und weitestgehend CO²-neutralen Atomenergie ist nämlich in der Praxis hauptsächlich nicht Sonnen-, Wind- und andere regenerative Energie, sondern das Verbrennen fossiler Brennstoffe, in Deutschland insbesondere auch von Braunkohle. Und jeder, der meint, ein Atomkraftwerk verschandele die Landschaft, sollte sich mal ansehen, was ein Braunkohletagebau mit der Landschaft macht.

Auf dem Weg nach Frankreich taten wir genau das. Der Tagebau Garzweiler liegt nicht weit von Köln und ist auf der Straßenkarte als großer weißer Fleck zu erkennen – die postmoderne Form der Terra incognita sozusagen. Das Tagebaugebiet wird gerade wieder um einige Quadratkilometer nach Westen ausgedehnt. Am Rand – nur ein, zwei Minuten von der Autobahn – gibt es vom Betreiber RWE einen Aussichtspunkt über das Abbaugebiet. Bis zum im Dunst verschwindenden Horizont sieht man dort nichts als eine Mondlandschaft. Die RWE-Leute, die dort an der Abbruchkante einen Picknicktisch aufstellen ließen, müssen wirklich äußert sarkastische Zeitgenossen sein.

Weitaus schlimmer sieht es aber in den Dörfern aus, die in den nächsten Monaten oder Jahren abgebaggert werden. Gleich neben der Autobahn liegt Pesch, ein kleines Straßendorf. Ein, zwei Häuser vielleicht sind dort noch bewohnt. In kurzer Zeit wird hier nichts mehr sein.

Haus Pesch

Haus Pesch

Hinter Pesch kam früher das wesentlich größere Otzenrath – heute ist davon nicht mehr viel zu sehen. Noch vor den Abbaubaggern wird jeder Baum gefällt und geschreddert, alles Menschgemachte an der Oberfläche vernichtet, selbst der Asphalt der Straßen wird abgetragen.

Otzenrath

Otzenrath

Im nebenan gelegenen Spenrath kann man zusehen, wie ein ganzes Dorf vernichtet wird.

Spenrath

Spenrath

Spenrath

Spenrath

Natürlich passiert das alles im Rahmen eines rechtlich klar geregelten Entschädigungsprozesses. Niemand verliert hier seine Existenz. Trotzdem ist die Vernichtung über Jahrhunderte gewachsener Orte und einer Kulturlandschaft ein sehr, sehr hoher Preis für eine Politik, die auf einfacher Unkenntnis über naturwissenschaftliche Zusammenhänge und auf Panikmache fußt.

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Heroinsüchtiger Elefant nach Entzug geheilt

[…] Seine Augen tränten ständig, und er trompetete ohne Unterlass. […]

06.09.2008, S. 9 (Deutschland und die Welt)

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Papst gegen Frosch

Papst Benedikt XVI. hat die Präsentation von Martin Kippenbergers „gekreuzigtem Frosch“ in einer Bozener Ausstellung […] scharf verurteilt.

29.08.2008, S. 35 (Feuilleton)

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Nächtliche Gedanken zur Nationalhymne

Mitunter kommt es vor, dass ich erst nach Mitternacht nach Hause komme. Wenn ich in solchen Fällen mit dem Auto unterwegs bin, schalte ich immer einige Minuten vor Mitternacht den Deutschlandfunk ein und höre die Nationalhymne, die dort jeden Tag um diese Zeit gespielt wird. Ich stehe dazu: Ich finde die deutsche Hymne sehr schön, gerade dann, wenn sie in einer reinen Instrumentalversion, also ohne Gesang, nur von einem Streicherquartett gespielt wird. Es gibt nichts schöneres, als in der Dunkelheit in gemäßigtem Tempo über eine leere Landstraße zu fahren und dieser ruhigen, eleganten Musik zuzuhören.

Ich erinnere mich noch sehr an eine Wahlkampfveranstaltung vor einigen Jahren, auf der zum Ende aus der Konserve eine entsetzliche Marschmusik-Version gespielt wurde. Das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Land ist ja in den meisten Fällen kein unbelastetes, aber wenn es einen deutschen Nationalismus oder Patriotismus geben könnte, der so zurückhaltend angenehm ist wie diese Hymne in der Deutschlandfunk-Variante, dann hätte ich nichts dagegen.

Seit einiger Zeit kommt direkt nach der Haydnschen Hymne die Europahymne, die Ode an die Freude aus Beethovens 9. Sinfonie. Schöne Musik, zweifellos, aber irgendwie wird es, zumindest für mich, nie dasselbe sein wie die deutsche Nationalhymne. Ich bin nicht sonderlich deutschtümelnd-nationalistisch eingestellt, und ich weiß die Vorteile der Europäischen Union durchaus zu schätzen. Aber ich finde schon den Gedanken einer europäischen Hymne anmaßend. Ich glaube, es würde Europa und der EU sehr gut tun, wenn seine Politiker endlich damit aufhören würden, andauernd den Eindruck zu verbreiten, die Einigung Europas sei so etwas wie ein göttlicher Auftrag. Sie ist ein unterstützenswertes politisches Projekt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wenn man schnell genug vom Deutschlandfunk auf R.SH umschaltet, erwischt man das Schleswig-Holstein-Lied, das dort immer um Mitternacht gespielt wird, als einzige der drei Hymnen mit Text übrigens:

Schleswig-Holstein, meerumschlungen,
deutscher Sitte hohe Wacht,
wahre treu, was schwer errungen,
bis ein schönrer Morgen tagt!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
wanke nicht, mein Vaterland
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
wanke nicht, mein Vaterland!

Was ich davon denken soll, weiß ich nie so richtig. Der Text ist schon sehr altbacken und irgendwie auch ziemlich arrogant. Wahrscheinlich sollte ich in Zukunft einfach direkt nach dem Deutschlandlied abschalten und die nächtliche Fahrt genießen.

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Transgender und ausgesetzte Bücher

Gestern nachmittag schien hier in Kiel die Sonne. Nachdem wir vom Strand aus Kitzeberg zurückgekommen waren, trafen wir uns mit ein paar Freunden beim legendären Eisparadies im Knooper Weg und setzten uns in den Garten der Ansgarkirche in der Waitzstraße. Dort fanden wir dann (allerdings nach einem ziemlich direkten Hinweis des Aussetzers) ein ausgesetztes Buch.

Der Gedanke dahinter: Man registriert ein Buch unter www.bookcrossing.com und setzt es an einer beliebigen Stelle aus, mit einem deutlichen Hinweis auf die Internetseite und einer Kurzanleitung. Der Finder des Buches soll dann dort den Fund des Buches melden, es lesen und später wieder “freilassen”. Also registrierten wir das Buch heute morgen und lasen, dass Svenja das Buch ausgesetzt hat. Svenja, so verrät das Internet nach einen Blick auf ihre verlinkte Homepage, arbeitet hier in Kiel bei der Kriminalpolizei, interessiert sich für Mode, fährt im Urlaub über schwedische Feldwege Motorrad und hieß früher mal Sven.

Nun gibt es ja eine ganze Reihe von Vorurteilen und Klischees über Transsexuelle – ich gebe zu, nicht frei davon zu sein. Auf jeden Fall aber ist die Geschichte der Entwicklung von Sven zu Svenja, die sie in ihrem Blog Svenja-and-the-City inzwischen schon seit über drei Jahren erzählt, lesenswert und regt zum Nachdenken an.

Das gefundene Buch ist übrigens Daniel Kehlmanns von der Kritik gelobtes Die Vermessung der Welt. Svenja schreibt auf BookCrossing, ihr habe es nicht gefallen. Nach 96 Seiten habe sie es wieder aus der Hand gelegt. Bei mir stand es schon lange auf der Warteliste, also schauen wir mal…

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Holleri du dödl di, diri diri dudl dö

Jodeln als Begleitmusik der eidgenössischen Freiheit: Die Schweiz besinnt sich auf die traditionellen Werte und zelebriert ihre Volkskultur

01.08.2008, S. 33 (Feuilleton)

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