
Merke: Es schadet der eigenen Glaubwürdigkeit meistens nicht, wenn man auf dem Teppich bleibt.
Im Netz tobt derzeit ja eine ziemlich große Empörungswelle über die Pläne der Bundesregierung, den Zugriff auf einige Internetseiten mit illegalem Inhalt – bislang ist vor allem von Kinderpornographie-Seiten die Rede – per Gesetz sperren zu lassen.
Schon kriechen alle möglichen Jünger des digitalen Zeitalters aus ihren Löchern und schreien “ZENSUR!”, sobald sich jemand anschickt, die geltenden Gesetze auch im Internet durchsetzen zu wollen. Ich gebe ja zu, dass es durchaus auch vernünftige Argumente gegen die Regierungspläne geben mag. Bloß habe ich sie bislang in der jetzt geführten Debatte noch nicht gehört.
Die Kritik beschränkt sich im wesentlichen darauf, der Bundesregierung diktatorische und anti-freiheitliche, ja anti-demokratische Züge zu unterstellen. Dabei sollte doch eigentlich auch den Aposteln unbegrenzter Freiheit bekannt sein, dass die eigene Freiheit immer eine Grenze findet – nämlich dort, wo die Freiheit des Nächsten beginnt. Das heißt: Wenn es technisch nicht möglich ist, die Kinderpornographie-Seiten im Ursprungsland stillzulegen, dann ist es durchaus legitim und keinesfalls unfreiheitlich, wenn dies zumindest in Deutschland geschieht.
Ähnlich verhält es sich mit Urheberrechtsverletzungen (dazu gab es ja gerade in Schweden ein Urteil): Was soll so schlimm dagegen sein, wenn ein demokratischer Staat dagegen vorgeht, dass systematisch Urheberrechte mit Füßen getreten werden? Ob das bisherige Urheberrecht antiquiert ist oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Solange die bestehenden Regelungen Gesetzeskraft haben, müssen sie auch eingehalten werden. Punkt.
Gänzlich ekelhaft wird es , wenn die Kritiker anfangen, Vergleiche zu ziehen. Ralf Bendrath hat auf netzpolitik.org einen Eintrag verfasst, dessen Argumentation ich schon für ziemlich hanebüchen und übertrieben halte. (Er meint offenbar allen Ernstes, es handele sich bei der derzeitigen Auseinandersetzung um einen “Kampf der Kulturen”, der die Entwicklung der Menschheitsgeschichte nachhaltig prägen wird.) Die Bundesregierung plane, so Bendrath, “eine Great Firewall [aufzubauen] um missliebige Feindsender auszusperren”. Ähnlich krudes Zeug las ich im Filterblog:
Nach dieser Logik [der Bundesregierung] muss im Grunde alles aus dem Netz verschwinden, was in Deutschland zu veröffentlichen nicht zulässig ist. Die Ministerin [von der Leyen] findet nicht, dass das Zensur ist, weil es ja nur um die Durchsetzung von Gesetzen geht – aber nach dieser Logik ist was China macht auch okay, denn auch dort wird ja sorgfältig ausgewählt, was den Bürger erreichen darf.
Vollkommen unkritisch wird die Legitimation einer demokratisch legitimierten Rechtsordnung in Deutschland gleichgesetzt mit der Legitimation einer bekanntermaßen nicht demokratisch zu Stande gekommenen, häufig genug diktatorischen Rechtsordnung in China. Außerdem wird noch unterstellt, die Bundesregierung wolle das Internet zum eigenen Vorteil zensieren (eben gegen “missliebige Feindsender”, was zudem eine ziemlich unmissverständliche Gleichsetzung der Bundesregierung mit dem Hitler-Regime ist).
Ich würde gerne mal wissen, was ein chinesischer Menschenrechtsaktivist zu diesem Kindertheater sagen würde, dass die Deutschen hier aufführen.