Reise nach Jerusalem, Teil 1: Die Band von nebenan

Neulich hatte ich es schon angedeutet: Wenn es im Land zwischen den Meeren trübe und regnerisch sein wird, werden wir für zwei Wochen in den Nahen Osten fahren: nach Israel und Jordanien, um genau zu sein. Als Vorbereitung dazu wälzen wir nicht nur Reiseführer (Lonely Planet) und Karten, sondern gucken auch Filme aus Israel. (Sehenswerte jordanische Filme habe ich bislang noch nicht gefunden.)

“Die Band von nebenan” zeigt den Besuch des Polizeiorchesters von Alexandria in Israel. Weil der junge Musiker am Flughafen Tel Aviv lieber mit der Ticketverkäuferin flirtet, als sich auf die Bestellung der Bustickets zu konzentrieren, landet die Gruppe statt im eigentlichen Reiseziel Petah Tikva im Wüstenkaff Beit Hatikva. Dort angekommen, wartet natürlich niemand auf ein ägyptisches Polizeiorchester. An einer Imbissbude trifft der Anführer der Gruppe, Tawfiq, auf die resolute Dina, die das Orchester in der eigenen Wohnung und bei Bekannten übernachten lässt.

Der Rest des Films spielt in Beit Hatikva. Sehenswert ist der Film vor allem, weil es diese beiden Darsteller bis zur letzten Minute schaffen, die Spannung aufrechtzuerhalten. Am Rande erzählt der Film auch von den anderen Musikern, doch Colonel Tawfiq und Dina stehen zweifelsohne im Mittelpunkt.

Das ganze ist sehr surreal. Das ganze Setting eines Ortes in der Wüste ist surreal, die Idee eines galauniformtragenden ägyptischen Polizeiorchesters auf Besuch in Israel ist surreal, das Kennenlernen ist surreal, viele Szenen wirken in ihrer Einfachheit eher wie Theater als wie ein Film. Ob man dabei viel über das Israel von heute lernen kann, weiß ich nicht. Aber es ist auf jeden Fall ein interessanter Blick auf das Verhältnis der Israelis zu ihrem südwestlichen Nachbarn. Und am Ende kommt Colonel Tawfiq mit seinen Leuten doch noch nach Petah Tikva.

Die Band von nebenan, 87 Minuten, Israel 2007.

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Am See Genezareth mit Helmut aus Memmingen?

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Am See Genezareth ist’s schön. Ich weiß das, ich war schon mal da. Bald will ich wieder hin, deswegen versuche ich, im Internet ein Hotel zu buchen – dank Web 2.0 alles kein Problem. Auf der Seite eines Hotels in Tiberias sind gleich auch Testimonials von Kunden integriert. Da lese ich:
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Ich habe zwar nicht besonders hohe Ansprüche an meine Herberge, aber am See Genezareth möchte ich bestimmt nicht ein reichliches Frühstück einnehmen in einem Speisesaal, in dem auch Helmut aus Memmingen sitzt. Ich muss wohl noch weiter suchen…

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Wanz in a lifetime

New York hat „bed bugs“ am Hals

Wie das Internetportal „bedbugregistry.com“ meldet, gilt New York mit mehr als 13 000 im vergangenen Jahr bei den Behörden angezeigten Fällen als Wanzen-Hochburg der Vereinigten Staaten.

04.09.2010, S. 9 (Deutschland und die Welt)

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Humoriges vom Staatskonzern: Der E-Postbrief

Manchmal holt die Wirklichkeit von heute die Witze von gestern ein. Ein E-Mail-Dienst mit Ruhetag am Montag, bei dem es schon mal vier Tage dauern kann, bis eine Mail zugestellt ist, ist ja an sich schon ein schlechter Witz. Genau so etwas versucht die Deutsche Post gerade mit einer absurd riesigen Werbekampagne einzuführen: Den E-Postbrief. Merke: Die Größe einer Werbekampagne ist umgekehrt proportional zum Nutzen eines Produkts für den Kunden.

Der “Nutzen” in diesem konkreten Fall: Wer den E-Postbrief der Post nutzt, muss täglich seine E-Mails abrufen, der Weitergabe seiner Daten zustimmen und zahlt dann für eine E-Mail genauso viel wie für einen Brief aus Papier: 55 Cent. Dafür hat dann ein E-Postbrief an ihn die gleichen Rechtsfolgen (in Hinsicht Verbindlichkeit) wie ein konventioneller Brief.

Aber der größte Witz ist eben: Google hat das schon vor Jahren angeboten. Bloß war es bei denen ein Aprilscherz und keine ernstgemeinte Geschäftsidee.

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American Places IV: Mount St Helens

Kann man sich einen Kubikkilometer vorstellen? Einen Würfel von 1000 Meter Kantenlänge? Ein Kubikkilometer entspricht einer Milliarde Kubikmeter. Wenn man ein Gewicht von nur einer Tonne pro Kubikmeter annimmt, wären das also 1 Milliarde Tonnen. Ich will das nicht in Güterzüge usw. umrechnen, aber es ist verdammt viel.

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Am Vormittag des 18. Mai 1980 haben sich am Nordhang des Mount St. Helens in Washington ungefähr 2,8 Kubikkilometer Erdreich auf einmal in Bewegung gesetzt und sind innerhalb weniger Sekunden weggerutscht, woraufhin sich das brodelnde Innere des Vulkans, der schon seit Wochen wie ein Dampfkochtopf unter Überdruck stand, mit Geschwindigkeiten von über 1.000 km/h entladen hat. Das Ergebnis war eine verwüstete Fläche von annähernd 1.000 Quadratkilometern, Tausende tote Tiere, 600 Quadratkilometer Wald (hätte ausgereicht, um 300.000 Einfamilienhäuser zu bauen), flachgemäht wie sprichwörtliche Streichhölzer, ein See, dessen Inhalt knapp 200 Meter hoch den Hang eines Hügels hoch- und wieder zurückschwappte. 50 Tote, teilweise begraben unter 180 Meter Schutt.

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Selbst heute, 30 Jahre später, kann man der Landschaft diese Katastrophe noch deutlich ansehen. Zwar wird sich die Natur das Umland des Vulkans mehr und mehr zurückholen, doch der Berg selbst, der vorher so schön symmetrisch aussah wie der Berg Fuji in Japan, erinnert jetzt eher an einen hohlen Zahn.

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Es drängt sich der Eindruck auf, dass das Land der Superlative auch bei den Naturkatastrophen ganz vorne mitspielen muss. Auf jeden Fall ist ein Besuch am Mount St Helens sehr eindrucksvoll und zeigt einmal mehr, auf was für einer empfindlichen Grenzschicht zwischen kochendem Erdinneren und luftleerem Weltraum unsere Existenz sich abspielt.

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Hermann Hesse: In der alten Sonne (1000 Bücher: 13)

Hermann Hesse: In der alten Sonne. Erzählung, Frankfurt 1988. (Zuerst München 1905.)
r95-012sEine ganz frühe Erzählung von Hesse, recht kurz (an einem Sommernachmittag zu lesen). Es geht um eine Stadt im Schwäbischen, genauer: um ihren Rand, wo in einer alten Gastwirtschaft (“Zur Sonne”) eine städtische Unterkunft für gescheiterte Gestalten (heute würde man sagen: Sozialfälle) eingerichtet wird. Hesse schildert die vier Gestalten, die dort nach und nach einziehen und einem tristen Lebensende entgegensehen, sehr lebendig.

Im Kern geht es um zwei Grundprobleme menschlicher Existenz und somit um große Themen der Literatur: Einerseits das Bewusstsein der Endlichkeit unseres Lebens, andererseits die Unvermeidbarkeit, Fehler zu machen. Der junge Hesse schafft es, diese großen Themen in dieser kleinen, lesenswerten Erzählung so unterzubringen, dass es ganz natürlich erscheint. “In der alten Sonne” ist sicher kein typischer Hesse, aber vielleicht gerade deswegen habe ich nicht bereut, das Büchlein neulich auf dem Flohmarkt mitgenommen zu haben.

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Das International Center: Aushängeschild der Uni Kiel

Hier drin: International Center der Uni Kiel

Hier drin: International Center der Uni Kiel

Das International Center der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist zuständig für die Betreuung ausländischer Studierender in Kiel und für die Betreuung Kieler Gaststudenten an ausländischen Hochschulen. Früher, als ich anfing zu studieren, hieß das International Center noch Akademisches Auslandsamt. Dann hielt man es für notwendig, diese etwas sperrige Bezeichnung durch eine englische zu ersetzen. Aber, wie bei Arbeitsamt/Arbeitsagentur oder Raider/Twix: Es ist immer noch das gleiche drin.

In diesem Fall: Die gleichen Mitarbeiter. Womit ich nichts gegen den öffentlichen Dienst sagen möchte. Dort arbeiten viele Mitarbeiter, die sehr engagiert sind. Aber es arbeitet eben auch Frau K. dort. Vielleicht hatte sie auch einfach nur einen schlechten Tag.

Das International Center hatte einen Zulassungsbescheid zum Studium verschickt. Dort heißt es:

Die Immatrikulation erfolgt in der Sprechstunde von Frau [K.] im International Center. Die Sprechstunde findet statt: montags 09:00-12:00 Uhr, dienstag 14:00-16:00 Uhr und donnerstags 09:00-12:00 Uhr.

Sprechstunden sind an der Uni ja nun eine heilige Sache. Frau K. hat zweifelsohne viel zu tun, so dass sie für den lästigen Publikumsverkehr nur acht Stunden in der Woche zur Verfügung stehen kann. Aber man soll nicht meckern: Es gibt durchaus Uni-Einrichtungen, die deutlich weniger als acht Stunden in der Woche erreichbar sind.

Also ging die angeschriebene Studentin heute – am Montag um 11 Uhr – mithin also innerhalb der auf dem Bescheid angegebenen Zeiten – zum International Center in das auf dem Bescheid angegebene Büro von Frau K. Diese blöffte sie an, was sie denn hier wolle, es seien doch Semesterferien und die Sprechzeiten entsprechend reduziert. Dumm nur, dass die Immatrikulation nach Auskunft des Beleges auf jeden Fall bis zum 24. September erfolgen muss – also die gesamte Zeit zur Erledigung der Immatrikulation in den Semesterferien liegt.

Aber nun kommt etwas Typisches im Umgang von Bittsteller und Beamten ins Spiel: Die Gnade. Man ist ja kein Unmensch. Nachdem Frau K. der frechen internationalen Studentin deutlich genug gemacht hatte, wie abwegig ihr Verlangen ist, während der auf dem Bescheid angegebenen Sprechstunde tatsächlich vorstellig zu werden, und nachdem die Studentin sich vielmals für diese Ungeheuerlichkeit entschuldigt hatte, überkam Frau K. ein Anfall von Barmherzigkeit, und so wurde die Immatrikulation tatsächlich durchgeführt, nicht ohne währenddessen darauf hinzuweisen, dass es sich aber nun wirklich um eine Ausnahme handele und man außerdem, bedaure, noch eine Sondergebühr von 6 € für einen angeblich verlorenen (in Wahrheit aber auf dem Weg von Hochhaus zum International Center von der Uni verschlampten) Rückmeldeantrag erheben müsse. So konnte am Ende, nachdem Frau K. noch einmal zeigen durfte, wer Herr ist und wer Knecht, der Verwaltungsvorgang abgeschlossen werden.

Ja, das Leben im öffentlichen Dienst ist wahrlich eine Qual, beizeiten.

Nun könnte man sich natürlich sorgen darum, dass das International Center auf diese Art und Weise internationale Studierende verschreckt. Schließlich ist diese Behörde (und etwas anderes ist es ja nicht) der erste Berührungspunkt für Studierende aus aller Welt, die für ihr Studium oder für ein Gastsemester an die Christiana Albertina kommen. Aber das ist natürlich vollkommen abwegig, denn letztlich zeigt das International Center nur den Ausländern von Anfang an, wie es in der Verwaltung einer anständigen deutschen Universität zugeht. Wo kämen wir sonst auch hin.

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Sommer

Anleger Bellevue, gegen 23 Uhr

Anleger Bellevue, gegen 23 Uhr

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Karl Marx zum Thema Studiengebühren

Anlässlich des Hamburger Schulstreits erlaube ich mir, etwas Karl Marx zu zitieren:

Gleiche Volkserziehung? Was bildet man sich unter diesen Worten ein? Glaubt man, daß in der heutigen Gesellschaft (und man hat nur mit der zu tun) die Erziehung für alle Klassen gleich sein kann? Oder verlangt man, daß auch die höheren Klassen zwangsweise auf das Modikum Erziehung – der Volksschule – reduziert werden sollen, das allein mit den ökonomischen Verhältnissen nicht nur der Lohnarbeiter, sondern auch der Bauern verträglich ist?

Allgemeine Schulpflicht. Unentgeltlicher Unterricht. Die erste existiert in Deutschland, das zweite in der Schweiz [und] den Vereinigten Staaten für Volksschulen. Wenn in einigen Staaten der letzteren auch “höhere” Unterrichtsanstalten “unentgeltlich” sind, so heißt das faktisch nur, den höheren Klassen ihre Erziehungskosten aus dem allgemeinen Steuersäckel bestreiten.

Karl Marx 1875 in seiner Kritik des Gothaer Programms der SPD (online hier).

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American Places III: San Juan Islands

Ganz an der linken oberen Ecke der USA, wo der 49. Breitengrad auf den Pazifik trifft, liegt zwischen der kanadischen Vancouver Island und dem Festland die San Juan Islands. Im Gegensatz zu Kanada ist die Fährgesellschaft hier noch nicht privatisiert, und so sehen die Fähren auch, nun ja, sehr rustikal aus. Aber irgendwie passt dieses Altmodische zu den drei Inseln und ihren Bewohnern. Auf dem Festland haben die Inseln den Ruf, dass dort alles etwas langsamer, gemächlicher und traditioneller zugeht. Außerdem, so scheint es, haben sich auf den Inseln vor allem die alternativ denkenden Menschen niedergelassen, was im sowieso schon links-alternativen Pacific Northwest schon etwas heißt.

Fähre des Washington State Dept. of Transportation

Fähre des Washington State Dept. of Transportation

Auf den Inseln angekommen, fühlt sich der Amerikareisende ganz unwillkürlich um einige Jahrzehnte zurückversetzt. Filme, die in den Fünfzigerjahren spielen, wie Snow Falling on Cedars, kommen ins Gedächtnis. Hier gibt es keine vierspurigen Straßen, keine Fast Food-Restaurants, keine Shopping Malls. Die kleinen Städtchen wirken vollkommen aus der Zeit gefallen.

Hat "Cash for Clunkers" überlebt

Hat "Cash for Clunkers" überlebt

Es gibt hier jede Menge zu tun und zu sehen. Zum Beispiel einen historischen Park, der an einen Beinahe-Krieg zwischen Briten und Amerikanern erinnert. Auslöser des Streites war übrigens der Diebstahl eines Schweins. Geschlichtet wurde der Pig War ausgerechnet vom deutschen Kaiser Wilhelm I.

Auf dem Schlachtfeld des Schweinekrieges

Auf dem Schlachtfeld des Schweinekrieges

Oder man guckt sich Wale an – das geht hier sogar von Land aus. Die Orcas ziehen nur wenige 100 Meter vor der Südküste der Hauptinsel San Juan vorbei.

Oder man kann sich in ein Café setzen, das gleichzeitig auch ein kleiner Buchladen ist, und trinkt seinen Kaffee mit Blick auf eine einfach einmalige Landschaft. Dass dieser Blick mit einem kleinen Plastikdinosaurier geteilt wird, der neben einem auf der Theke steht, kommt einem an diesem Ort schon gar nicht mehr merkwürdig vor.

Kaffee mit Saurier

Kaffee mit Saurier

Fazit: Die San Juan-Inseln sind, zumindest bei Amerikareisenden aus Deutschland, ein Geheimtipp. Man könnte, so ein Gedanke, während man über die Inseln fährt, einen ganzen Amerikaurlaub in diesem Mikrokosmos zu verbringen.

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