Am nördlichen Stadtrand von Vancouver hört die Straße auf. Vom Flughafen Los Angeles, 2000 km weiter südlich und 20 Grad wärmer, bis hierhin hat es auf der Interstate 5 gut zwei Tage gedauert. Von hier nach Norden führt an der Küste keine Straße mehr, nur weit, weit im Inland der Alaska Highway. Wer weiter nach Norden reisen will, nimmt eines der Wasserflugzeuge, die im Hafen von Vancouver unaufhörlich landen und starten.

Doch ein kleines Stück Zivilisation hinter dem Ende der Straße gibt es doch noch: Vom Fährhafen Horseshoe Bay fährt man eine knappe Stunde nach Gibsons. Tief hängen die grauen, regenreichen Wolken, die nach ihrer Reise über mehrere tausend Kilometer leeren Pazifik hinweg dankbar ihre Ladung an den Bergen British Columbias abladen: Die Landschaft ist voll von überbordendem Grün. Der Name dieser Küste – Sunshine Coast – will zunächst nicht so recht passen, um es vorsichtig auszudrücken.

Gibsons, zwar auf dem Festland gelegen, aber nur per Fähre zu erreichen, bildet das südliche Ende dieses Stückes Zivilisation hinter der Zivilisation: einige Dutzend Kilometer Straße an der Küste zur Strait of Georgia, die zwischen Festland und der langgezogenen, vorgelagerten Vancouver Island liegt. Ein kleiner Fischerort, der mich sofort an die Darstellung kleiner Fischerorte in Lustigen Taschenbüchern erinnert: Ein paar Fischkutter im grauen Wasser des Hafens, langsam-unaufgeregtes Leben auf zwei, drei Straßen. Hinter dem Ort an der Straße hie und da Villen reicher Vancouverianer, zwischendurch immer wieder Durchblicke zum Meer. Ab und zu Fährüberfahrten hindurch zwischen unbewohnten Inseln.

Doch Sunshine Coast überrascht. Nach einigen Stunden Fahrt hört der Regen auf, die Sonne bricht durch, und beim Picknick wird es auf einmal sogar warm. Dann, auf der Überfahrt hinüber nach Vancouver Island: Strahlender Sonnenschein.

Sunshine Coast ist ein Stück Zivilisation vor der Wildnis. Links von der Straße der Ozean, rechts davon einige 100 km bis zur nächsten Straße – näher kann man der legendären amerikanischen frontier nicht mehr kommen im 21. Jahrhundert.
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Ob es am strengen Winter liegt? Auf dem Busch (im Bild links unten) vor dem Balkon sitzend, verspeiste gerade ein Wanderfalke eine soeben erlegte Amsel. (Dabei wird doch allenthalben vor dem Genuss nicht durcherhitzten Geflügels gewarnt.)

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Die schönste Freude ist die Vorfreude. Beim Reisen kommt die Nachfreude hinzu: Zuhause sitzend, kann man auch Monate oder gar Jahre später die zurückliegende Reise nachvollziehen. Im September 2009 waren wir über vier Wochen lang in den USA und Kanada unterwegs, in Kalifornien, Nevada, Oregon, Washington und in British Columbia. Fast 10.000 km sind wir gefahren. In der Serie American Places sollen hier in den nächsten Monaten einige Orte entlang dieser 10.000 km vorgestellt werden.
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Orhan Pamuk: Schnee. Roman, aus dem Türkischen übersetzt von Christoph K. Neumann, Frankfurt a. M. 2007.
Ein langes Buch, über 500 Seiten. Und es kommt sehr langsam in Fahrt. Der Erzähler Orhan berichtet von dem türkischen Dichter Ka, der sein deutsches Exil verlässt, um im Winter in ein entlegenes Kaff namens Kars zu fahren, ganz weit in der Osttürkei. Dort ereignet sich dann ein ziemlich absurder Militärputsch, gleichzeitig verliebt sich Ka. Von da an gewinnt die Handlung an Geschwindigkeit. Pamuk macht die zahlreichen Gräben, die die politische Öffentlichkeit durchziehen – Kopftuchfrage, die Rolle des Laizismus und des Islam, Beziehung zum “Westen”, Armenier, osmanische Vergangenheit – an diesem kleinen, rückständigen Ort sichtbar und damit gleichzeitig etwas lächerlich, aber auch besser begreifbar.
Als westlicher Leser ist man wahrscheinlich nicht in der Lage, alle Andeutungen zu begreifen, die Pamuk in dem Buch unterbringt. Aber man bekommt doch einen besseren Eindruck von den Themen, die in einem der in der heutigen Zeit interessantesten Länder eine Rolle spielen. Insofern: Ein politischer Roman, aber in ganz unaufdringlicher, angenehmer Art und Weise.
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30.01.2010, morgens
Seit 17.12. ist es jetzt durchgehend weiß gewesen. Angesichts der Kopenhagener Klimakonferenz handelt es sich wohl um den Gore-Effekt.
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10.01.2009, 17.00 Uhr, Traum-Kino Kiel (Saal 1), 6,00 €
Der neue Film von Fatih Akin also. Diesmal eine Komödie, die zudem vollkommen in Hamburg spielt und nur ganz am Rande mit der Türkei zu tun hat. Es geht um den Griechen Zinos (Adam Bousdoukos), der in Wilhelmsburg versucht, das Restaurant Soul Kitchen zu betreiben. Dabei geht zunächst so ziemlich alles schief, was nur schiefgehen kann. Erst durch das Einschreiten des exzentrischen Meisterkochs Shayn Weiss – gespielt vom Gourmet-Veteranen Birol Ünel, der schon im Akin-Film Im Juli einen kriminellen Budapester Gastronom spielte, wendet sich das Blatt. Auch Moritz Bleibtreu ist, natürlich, dabei.
“Wilhelmsburg, so so” lautet die Antwort des halbseidenen Immobilienspekulanten Neumann, der versucht, Zinos den heruntergekommenen Schuppen, in dem das Soul Kitchen sich befindet, abzujagen. Und obwohl die Türkei als Ort und Thema fast völlig fehlt, ist doch mit der Brücke ein zentrales Motiv aller Akin-Filme dabei: Häufig war es die Brücke über den Bosporus in Istanbul, die an zentraler Stelle der Filme Fatih Akins vorkam – in Crossing the Bridge sogar titelgebend. Diesmal sind es die Elbbrücken, die gleichsam das Mehrheitshamburg nördlich der Elbe mit dem Wilhelmsburger Milieu verbinden.
Ich hätte gerne geschrieben, dass Fatih Akin ein unterhaltsamer, kurzweiliger Film gelungen wäre, den man auch als Hamburger – oder genauer: als Hamburg-Wilhelmsburger Heimatfilm sehen könnte. Doch leider übertreibt Akin es und allzu sehr wirken Handlung und Darstellung zu slapstickhaft, schade. Unterhaltsam war’s trotzdem.
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Bilder vom 2. Weltkrieg haben wir alle zuhauf im Kopf. Ganz überwiegend sind es Bilder und Filme, die von Kriegsberichterstattern auf beiden Seiten angefertigt worden sind. Durch die andauernde und perpetuierte Aufarbeitung des 2. Weltkrieges durch Film und Fernsehen sind diese Bilder mehr und mehr in unser kollektives Bewusstsein übergegangen.
Eine Ausstellung im Münchener Stadtmuseum (“Fremde im Visier“, noch bis Ende Februar 2010) zeigt eine andere Bildwirklichkeit aus dem Krieg, die mindestens ebenso authentisch ist wie die bekannten Bilder der Profis: Amateuraufnahmen deutscher Soldaten aus dem Krieg. Durch die Ausstellung ganzer Fotoalben einzelner Soldaten bekommt der Betrachter ein sehr eindrucksvolles Erlebnis davon, wie Krieg für einen einzelnen Betroffenen aussehen kann. Während bei Guido Knopp und seinen Helfern das große Bild, die Makroperspektive im Vordergrund steht, nähert man sich hier den Ereignissen aus dem Blickwinkel des einzelnen Beteiligten.
Natürlich ist diese Perspektive nie objektiv – dafür lässt sich aus der Auswahl der Motive und auch aus der kommentierenden Beschriftung sehr eindrucksvoll zeigen, mit welcher Einstellung die Betroffenen in den Kampf gezogen waren. Interessant sind auch Unterschiede im Blick auf Land und Einheimische im Osten und im Westen: Im Osten wurde Juden und auch sowjetische Kriegsgefangene häufig in ekelhaft überheblicher Perspektive abgebildet – offenbar war die Rassenideologie auch an der “Basis”, bei den einfachen Soldaten, erstaunlich weit ins Unterbewusstsein gesickert oder schon vor dem Nationalsozialismus vorhanden. Bilderalben aus Italien oder Frankreich erwecken hingegen häufig den Eindruck einer ausgedehnten Urlaubsreise.
Wer es nicht bis Ende Januar in den tiefen Süden der Republik schafft, dem sei der Begleitband empfohlen.
Bild: alf sigaro (via Flickr), Lizenz.
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17.12.2009, mittags
Mal abgesehen von etwas Schneeregen vor ein paar Wochen, der aber nicht liegenblieb, ist das der erste Schnee in diesem Winter.
Aber bis Weihnachten ist bestimmt alles wieder getaut.
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Die zerstörte Nikolausstatue von Bamiyan
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20.11.2009, 20.00 Uhr, Metro-Kino Kiel (Saal 1)
Knarz, Krach, Bumm, Peng.
Gluggerglugger, Falt, Reiß, Donner, Rausch.
Rumms!
Rattatazong, Dong, Knirsch.
Riesel, Kreisch.
Flatsch, Wumm, Brösel.
Wummer. Bums. Kradong!
Knartsch, Blubber, Gurgel.
Aaaaaah! Örgs.
Das ist die Kurzzusammenfassung des neuesten “Emmerich”, in dem diesmal gleich die ganze Erde zerstört wird. Oder, wie Roger Ebert schreibt:
“2012” delivers what it promises, and since no sentient being will buy a ticket expecting anything else, it will be, for its audiences, one of the most satisfactory films of the year. You think you’ve seen end-of-the-world movies? This one ends the world, stomps on it, grinds it up and spits it out.
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